„Wir sind erschöpft, überarbeitet und ausgelaugt“ – Dies sind Worte aus einem Brief, der Anfangs Juni letzten Jahres von Pflegenden eines kurz zuvor privatisierten Spitals in Hamburg an die Klinikleitung geschrieben wurde. In einem weiteren Satz steht dort dann noch etwas unmissverständlicher formuliert: „Der Personalmangel gefährdet die Patienten, das sollte Ihnen allen bewusst sein. Wir arbeiten hier mit schwer kranken Menschen zusammen und nicht mit leblosen Gegenständen“.
Dies sind Worte von verzweifeltem und überarbeiteten Personal aus sieben vormals öffentlichen Kliniken der Stadt Hamburg, welche allesamt in einem Schnurz an die private Spitalkette Asklepios verkauf wurden. Nicht nur, das dabei die Stadt Hamburg einen miserablen finanziellen Deal eingegangen ist, nein, sie hat auch die Grund- und Spezialversorgung der eigenen Bevölkerung – der Bevölkerung der zweitgrössten Stadt Deutschlands aufs Spiel gesetzt – und die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Hamburg werden über kurz oder lang dieses Spiel verlieren. Dann nämlich, wenn das Personal nicht mehr kann und die Qualität der Betreuung der Patientinnen und Patienten nicht mehr nur leidet, sondern schlicht und einfach nicht mehr vorhanden ist und es gefährlich wird. Dann nämlich, wenn sich dieses Spital aufgrund völlig überrissener und unmöglich zu erreichenden Gewinnvorstellungen sich nur noch den Patientinnen und Patienten widmet, welche lukrativ sind: Junge, bei denen gut bezahlte Eingriffe wie z.B. in der Orthopädie gemacht werden können und die am liebsten auch noch privat versichert sein sollten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum erzähle ich euch das? Dieses Hamburg könnte in naher Zukunft genau so gut Winterthur heissen, oder Bülach, oder Männedorf, Wetzikon, oder Neuenburg. Alles Städte und Gemeinden, die entweder ihre Spitäler bereits in Aktiengesellschaften umgewandelt haben oder bei denen dies der Kanton noch plant. Denn die Mehrheit der Regierung und des Parlaments dieses Kantons – unter der Federführung des neoliberalen Privatisierungsneurotikers und Ungesundheitsdirektors Thomas Heiniger, im Schlepptau die FDP, die über den Tisch gezogene SVP und weitere bürgerliche und hellgrünliberale Technokraten – möchten es der Stadt Hamburg gleich machen. Das Kantonsspital Winterthur und die Integrierte Psychiatrie Winterthur sollen als Paradebeispiel für eine pseudomarktgesteuerte Spitalpolitik hinhalten, die nicht funktioniert und so auch nie funktionieren kann. Die beiden Spitäler und deren Einzugsgebiet – wir Winterthurerinnen und Winterthurer, Zürcher Unterländerinnen und Unterländer, Weinländerinnen und Tösstaler – sollen hinhalten für ein gefährliches Experiment mit unserer Gesundheitsversorgung.
Geplant ist eine Privatisierung in eine AG mit nachträglich geplantem Verkauf der Aktien, mittelfristig gar der Aktienmehrheit. Und an wen sollen diese Aktien gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Die Befürworter dieses rücksichtlosen Vorhabens möchten uns weiss machen, dass diese sicher in öffentlicher Hand bleiben werden, dass allenfalls die Gemeinden und die Stadt diese Aktien kaufen würden. Sie werfen uns vor, wir würden hier eine unnötige Angstkampagne fahren. Dies ist keine Angstkampagne, liebe Bürgerliche, lieber Regierungsrat Heiniger. Denn auch sie selber wissen genau wie der Hase läuft, sie haben ihn ja selbst loshoppeln lassen: Die Gemeinden haben nicht die finanziellen Ressourcen dazu, nachdem sie über Jahre hinweg systematisch ausgehungert wurden. Wer daran die Hauptschuld trägt, muss ich hier nicht erwähnen. Zudem haben die bürgerlichen Gallionsfiguren selber das entsprechende Gesetz auf den Weg gebracht, welches die Gemeinden aus der Verantwortung in der Spitalversorgung nimmt und einen ökonomisch sinnlosen Wettbewerb zwischen Spitälern in diesem Land, in diesem Kanton anstrebt. Dieser wird sich selber zum Erliegen bringen, aber erst viel zu spät, dann nämlich, wenn unserer Gesundheitsversorgung bereits heruntergewirtschaftet wurde.
Ihr, liebe Kolleginnen und Kollegen, wisst es selber am besten, wer die Aktien unserer gut funktionierenden und gesunden Spitäler kaufen wird. Ja, es sind z.B. genau diese Spitalkonzerne und Ketten aus Hamburg oder sonst wo in Deutschland oder undurchsichtige Holdings aus der Schweiz – oder wie bei Hirslanden – gar aus Südafrika. Es sind z.B. die Ameos – Gruppe aus Deutschland mit über 70 Klinikstandorten und ihren CEO Axel Prager, der sagt: „Unser Ziel ist es, in der ganzen Schweiz öffentliche Spitäler zu übernehmen“. Es ist z.B. die Röhn – Kliniken AG mit ihrem Gründer Eugen Münch, der die Patientinnen und Patienten seiner Spitäler als Milchkühe betrachtet, wenn er vom „Cash Cow – Segmet der lukrativen Patienteninnen und Patienten“ spricht.
Es sind aber auch heimische Spitalgruppen die sich erhoffen, beispielweise mit Aktien des KSW gutes Geschäft zu machen. Dies Aevis – Holding, die neben Schweizer Luxushotels noch Spitäler besitzt und betreibt, hat uns schon ein Vorgeschmack gegeben, wie es kommt, wenn sie Spitäler übernehmen: Stichwort Neuenburg, Spital La Providence: Genolier, eine Tochter dieser Aevis Holding, übernahm dort den Betrieb und die Leitung und als erstes wurden der GAV gekündigt, die Arbeitszeit verlängert, die Sonntags und Nachtarbeitszulagen abgebaut, den Mutterschaftsurlaub gekürzt und die Reinigung, die Wäscherei und die Küche ausgelagert. Ja, so geht es, wenn private, gewinnorientierte Unternehmen unsere stationäre Grundversorgung übernehmen.
Ihr erinnert euch vielleicht an das letzthin in den Medien veröffentlichte und in seiner Frechheit nicht zu überbietende Angebot der Hirslanden – Kliniken an die Gesundheitsvorsteherin der Stadt Zürich, sie würden die beiden Stadtspitäler Triemli und Waid wesentlich effizienter und günstiger betreiben. Ja wie wird das wohl gehen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Genau so, wie es eben die Genolier macht oder die Asklepios in Hamburg und, und, und. Es wird als erstes beim Personal gespart und somit die Qualität abgebaut und eine Rosinenpickerei – also eine gewinnorientierte Selektion der Patientinnen und Patienten – betrieben. Anders ist es gar nicht möglich! Auf der Strecke bleiben dann die Patientinnen und Patienten, die mehrfach erkrankt sind, die chronisch krank sind, älteren Semesters sind, oder aber Kinder- und Jugendliche, denn die Kinder- und Jugendmedizin ist kein rentabler Zweig unter den medizinischen Fachgebieten. Diese Menschen soll dann wieder der Staat behandeln, sprich bei uns im Kanton Zürich bleibt dann schlussendlich nur noch das Unispital, welches die schweren Fälle behandeln darf, damit die anderen privatisierten Kliniken ihren Aktionärinnen und Aktionären entsprechend schöne Dividenden auszahlen kann.
Bei einer Hirslanden gehen die Gewinne zum Beispiel nach London und Südafrika, dorthin nämlich, wo die Besitzerin der Hirslandengruppe an der Börse kotiert ist. Kontrolliert wird diese Holding von Johann Rupert, einer der mächtigsten und reichsten Unternehmer Südafrikas. Diese Spitalkonzerne machen längst kein Geheimnis mehr draus, dass ihre Gewinnvorstellungen doppelt so hoch sind, wie diese von Schweizer Spitälern oder eben vom KSW erreichten Zahlen. Ein Beispiel gefällig? Das KSW machte 2015, als eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Spitäler in diesem Kanton, abgesehen vom Hirslanden natürlich, welches sich mehr und mehr aus der Verantwortung der Grundversorgung zurückzieht, obwohl es auf der Spitalliste ist – das KSW also macht eine EBITDA – Marge von 6,8%. Die Hamburger Asklepios – Kette erreicht knapp 12%, sie muss es, denn dies gibt die Geschäftsleitung bzw. der Verwaltungsrat so vor.
Das ist nicht unsere Vorstellung eines Gesundheitswesens, eines Service Public für alle! Es sind die Vorstellung von Bürgerlichen Politikerinnen und Politikern und deren Wählerschaft: Wir können es wieder einmal auf einen einfach Satz zusammenfassen: Gewinne Privat, Verluste dem Staat! Denn auch da: Sollte das KSW einmal heruntergewirtschaftet sein, wird es der Kanton wieder aufpäppeln müssen, denn es ist schlicht und einfach „too big to fail“. Das kennen wir alle bestens von gewissen Banken! Dazu kommt, dass uns zuvor noch die demokratische Kontrolle und Aufsicht genommen wird, denn mit dieser hätten wir allenfalls noch die Chance gehabt, in einem solchen Fall das Schlimmste zu verhindern.
Aber wir hören es direkt vom Ort des Geschehens, vom Direktor des KSW, wenn er sagt: Heute redet uns jeder Kantonsrat drein. Eine Geringschätzung unserer demokratischen Institutionen und somit auch der Bevölkerung sondergleichen. „Ein Entfesselung des Spitals aus den Fängen des Staates“, ist auch immer wieder zu hören. Meiner Meinung nach hat sich hierbei der Spitaldirektor bereits jetzt schon unkontrolliert entfesselt.
Je dünner die demokratische Kontrolle und Aufsicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, desto schwächer werden die staatlichen Aufgaben und die grundlegenden Dienstleistungen und umso verletzlicher werden wir, die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Staates, dieses Kantons. Die Privatisierungsneurotiker der neoliberalen Kaste machen uns mit ihrem Ausverkauf der öffentlichen Infrastrukturen und des Service Public über kurz oder lang zu Patientinnen und Patienten eines heruntergewirtschafteten Staatsystems.
Kämpfen wir für unsere langfristige Gesundheit und unser Wohlergehen, lehnen wir Privatisierungen heute, hier und jetzt und auch in Zukunft ab!
In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen schönen und freudigen 1. Mai!